04.12.2016

Aktionstage gegen Antisemitismus

von Coloniacs in Nachrichten


Schon seit einigen Jahren beteiligen wir uns als Coloniacs im Herbst in einem Bündnis für die Durchführung von Aktionstagen gegen verschiedene Formen von Diskriminierung. Gemeinsam mit dem sozialpädagogischen Kölner Fanprojekt, den Gruppen „Navajos“ und „Definitionsmacht Colonia“ sowie der Bildungseinrichtung „BiBeriS- Bildung & Beratung im Sport“, stellen wir Jahr für Jahr ein Programm mit Sport, Vorträgen und kleineren Aktionen im Stadion auf die Beine. In diesem Jahr stand das Thema Antisemitismus auf der Agenda, denn auch Jahrzehnte nach dem Holocaust stehen jüdische Einrichtungen in Deutschland unter Dauerbewachung, da sie gegen antisemitische Attacken aus verschiedenen Spektren (von Pegida-nahen bis islamistischen Gruppen) geschützt werden müssen.

Zu Beginn der diesjährigen Aktionstage sollte aber zunächst der Ball rollen. Beim Indoor-Turnier „Kick racism out“ traten sechs Teams gegen das Leder. Wie es sich für gute Gastgeber gehört, überließ das CNS-Team den anderen Mannschaften die große Bühne und gab sich mit dem letzten Platz zufrieden. Sieger wurde ein Team aus einer Erstaufnahmeeinrichtung für Refugees in Bayenthal. Der Großteil der Gruppe ließ den Tag anschließend bei der Soli-Veranstaltung „Kein Raum für Rassismus“ in den Sartory-Sälen ausklingen. Diese gehörte zwar nicht zum Programm der Aktionstage, passte aber perfekt ins Wochenende.

Am nächsten Tag machte es die Zeitumstellung etwas einfacher, pünktlich um 12:30 Uhr in Neuehrenfeld zur „Stadtführung durch das jüdische Köln“ zu erscheinen. Der Name der Veranstaltung ist dabei etwas irreführend, denn um sämtliche wichtige Punkte des jüdischen Lebens in Köln abzulaufen, bräuchte man Minimum einen kompletten Tag und nicht nur zwei Stunden. Unser Stadtführer Aaron Knappstein bietet verschiedene Touren durch unsere Stadt an und konzentrierte sich heute für uns auf Ehrenfeld. Los ging es beim jüdischen Wohlfahrtszentrum in der Ottostraße, in dem früher das jüdische Krankenhaus untergebracht war. Hier wurde gleich der Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart geschlagen und wir erfuhren Wissenswertes über das Wachsen der jüdischen Gemeinde, die NS-Zeit und die Nachkriegsgeschichte (z.B. die Israel-Mission). Weitere Stationen waren u.a. der ehemalige Standort (1927-1938) der Synagoge Ehrenfeld in der Körnerstraße und das ehemalige Wohnhaus der Rennradfahrer-Legende Albert Richter in der Sömmeringstraße. Richter nutzte seinen Status, um jüdische Freunde zu unterstützen, wurde aber beim Schmuggeln an der Schweizer Grenze erwischt und kam unter ungeklärten Umständen im Gefängnis ums Leben. Wer mehr über das jüdische Leben in Köln erfahren will, kann sich über das NS-Dokumentationszentrum über die Stadtführungen informieren. Empfehlen kann man auch das Buch „Das jüdische Köln“ (Emons-Verlag) von Barbara Becker-Jákli.

Wie auch in den vergangenen Jahren zeigten wir zum Heimspiel gegen den Hamburger SV in S4 eine kleinere optische Aktion, welche thematisch ein Zeichen gegen Antisemitismus im Fußball setzte.

Der erste Vortrag fand einige Tage später mit dem Titel „Die braune Traumfabrik“ referiert von Michael Fehrenschild statt, der anhand von NS-Filmausschnitten die Propaganda der NSDAP in den Räumlichkeiten des Kölner Fanprojekts beleuchtete. Hier wurde deutlich, wie auf teils subtile Art und Weise versucht wurde, die Menschen mit der NS-Ideologie zu indoktrinieren. Stilistisch wurde hier die gesamte Bandbreite, über Nachrichten bis hin zu Kinder-Comics, an Hand von Filmsequenzen aufgezeigt, in denen auch der Antisemitismus eine bedeutende Rolle einnahm.

Zum Abschluss der diesjährigen Aktionstage war Alex Feuerherdt, Publizist und ehemaliger Fußball-Schiedsrichter aus Köln, in den Räumlichkeiten des Fanprojekts zu Gast. Sein Vortrag trug den Titel „Antisemitismus im Fußball: Kick it out!“ Hierbei zeigte er in drei Abschnitten verschiedene Formen von Antisemitismus im Fußball auf. Neben offensichtlichen Aktionen wie dem immer noch nicht ausgestorbenen „U-Bahn-Lied“, J*denschweine-Rufen oder antisemitischen Transparenten (z.B. in Cottbus, Dresden, Livorno und Rom), wandte sich Feuerherdt auch subtileren Ausprägungen des Problems zu. So schilderte er, wie aufgrund des unwillkommenen Emporkömmling RB Leipzig Argumentationsmuster verwendet werden, die zumindest anschlussfähig für Judenfeindlichkeit sind. Es erscheint vielleicht auf den ersten Blick nicht als Problem, wenn die Leipziger als Ratten oder Ungeziefer bezeichnet werden. Doch spätestens wenn dies in weiteren Schritten zu einer Verknüpfung mit verkürzter Kapitalismuskritik bis hin zu Darstellungen von Dietrich Mateschitz mit Hakennase führt, sollte klar werden, dass die Übergänge fließend sind. Zu guter Letzt schilderte er am Vortragende noch Judenhass in Form von Kritik am Staat Israel, bei der es ebenfalls einen schmalen Grat zwischen legitimer Gegenrede und Antisemitismus gibt.

Deutlich wurde an diesem Abend auch, dass der Antisemitismus aus verschiedenen Ecken kommt. Die Anfeindungen sind nicht nur aus der Nazi-Ecke und von radikalen Muslimen zu hören, sondern (gerade auch bei der erwähnten Kapitalismus- bzw. Israelkritik) aus linken Kreisen. Auch über 70 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit gilt es also wachsam zu bleiben und die Verantwortung nicht von sich zu schieben, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

„Nie wieder Auschwitz!“