20.09.2013

Bundestagswahl 2013 – Linksjugend

von Coloniacs in Nachrichten


Zum Abschluss unserer Interviewreihe  haben wir  von der Jugendorganisation der Linkspartei Antworten auf unsere Fragen erhalten. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal recht herzlich bei allen Parteien bedanken, die unseren Fragenkatalog beantwortet haben. Die detaillierten Antworten der Linksjugend findet ihr hier.

Coloniacs: In Ägypten, in der Türkei und auch in Deutschland hat sich gezeigt, dass Ultras nicht nur Krawallmacher sondern in hohem Maße auch politisierte und politisierende Menschen sind. Wie sehen Sie Ultras im Zusammenhang mit diesen „Freiheitskämpfen“? Welchen Beitrag leisten Ultras Ihrer Meinung nach zu unserer Gesellschaft?

Linksjugend: Ultra-Gruppen hatten z.B. in Ägypten eine wesentliche Funktion, als es darum ging der Polizeigewalt des Regimes etwas entgegen zu setzen. Auch durch ihre Organisationsstrukturen waren sie ein Anziehungspunkt für junge Menschen, die sich für Veränderungen eingesetzt haben. Das hat durchaus Tradition: So entwickelten sich beispielsweise die Spiele des FC Barcelona zur Zeit der faschistischen Diktatur zu einem Ort, an dem die (damals verbotene) katalanische Sprache gesprochen und sich politisch ausgetauscht werden konnte. Das zeigt, dass organisierte Fans durchaus die Möglichkeit haben eine politische Rolle zu übernehmen und ihr Organisationsgrad mit einer gesellschaftlichen Funktion einhergehen kann.

Coloniacs: Erkennen Sie aus Ihrer Perspektive zentrale Werte, die die Ultràkultur vertritt? Wenn ja, welche sind das?

Linksjugend: Bestimmt gibt es da Unterschiede. Aber sozialer Zusammenhalt und Solidarität spielen sicherlich eine Rolle. Zudem kritisieren viele die Kommerzialisierung.

Coloniacs: Es ist Spieltag, der FC tritt in Hamburg an! Eigentlich eine gute Gelegenheit eine der schönsten Städte Deutschlands zu erkunden, wäre man nicht zahlreichen Repressalien ausgesetzt. Es ist fast unmöglich sich frei zu bewegen, ohne handfeste Konflikte mit der Polizei auszulösen. Sind diese Einschränkungen für Sie akzeptabel? Wie sind diese zu rechtfertigen? Werden durch solche Maßnahmen nicht tausende Fußballfans unter einen Generalverdacht gestellt?

Linksjugend: Nein, diese Einschränkungen sind nicht akzeptabel. Fußballfans müssen als Versuchskaninchen herhalten, wenn es darum geht Rechte insgesamt einzuschränken. Ob es nun das Recht ist sich ungehindert zu bewegen oder auch nur das Recht nicht durch einen Nacktscanner laufen zu müssen, um ein Spiel zu sehen: Die entsprechende mediale Begleitmusik vorausgesetzt hat die Politik die Möglichkeit bei Fußballfans auszuprobieren, was sich dann leichter auch bei anderen durchsetzen lässt.

Coloniacs: Dass die Polizei nicht gerade zimperlich beim Durchsetzen Ihrer Interessen (oder der Interessen der Politik) ist, haben Stuttgart 21 und die Blockupy Proteste gezeigt. Für uns als Fußballfans gehört der Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken durch die Polizei zum Standardrepertoire bei vielen Auswärtsspielen. Wann kommt die bundesweite Kennzeichnungspflicht für Polizisten? Setzen Sie sich dafür ein? Warum / Warum nicht?

Linksjugend: Wir setzen uns natürlich für eine Kennzeichnungspflicht ein. Viele Mitglieder in unserem Verband haben bei den Blockupy-Protestens Erfahrungen gemacht, die sie auch für entsprechende Probleme im Stadion sensibel machen. Wann wir am Ziel sind ist schwer abzuschätzen.

Coloniacs: Zusätzlich wird immer wieder die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung der Vereine an den Einsatzkosten laut. Ist das mit gültigem Deutschen Recht vereinbar? Besteht die Notwendigkeit einer solchen Beteiligung?

Linksjugend: Ob es mit dem deutschen Recht vereinbar ist, dass müsstet ihr Juristen fragen, die sich darüber dann wahrscheinlich auch streiten würden. Die Notwendigkeit besteht sicherlich nicht, im Vergleich zu anderen Ausgaben reden wir hier über lächerliche Beträge, zumal die Vereine ja ohnehin für einen großen Teil der Ausgaben für Sicherheitspersonal selbst aufkommen.

Coloniacs: Die Stadionverbotsproblematik wurde aus rechtlicher Perspektive bereits ausreichend beleuchtet. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob Stadionverbote ein probates Mittel zur Problemlösung sind. Unsere These: Stadionverbote verlagern die Probleme lediglich vor die Tore der Stadien. Wie stehen Sie dazu? Welche Alternativen sehen Sie zu Stadionverboten? In welcher Form setzen Sie sich für eine Durchsetzung solcher alternativer Wege ein?

Linksjugend: Eure These ist sicherlich berechtigt. Allerdings ist schon nachvollziehbar, wenn beispielsweise Nazis aus den Stadien gehalten werden sollen. Konkrete Alternativen sollten die Vereine und die Verbände mit den Fans auf Augenhöhe beraten.
Unser Verband setzt sich insgesamt dafür ein, dass Fußballfans nicht als Versuchskaninchen herhalten müssen, wenn es darum geht Repressalien ausgesetzt zu sein. Viele Mitglieder engagieren sich darüber hinaus auch in Fangruppen bzw. in Vereinen für konkrete Lösungen.

Coloniacs: Mehrere Medien berichteten in der Vergangenheit über V-Männer in der Fußballfanszene. Unserer Ansicht nach eine total überzogene und äußerst diskussionswürdige Maßnahme. Benötigen wir V-Männer Ihrer Meinung nach in der Fußballfanszene? Warum / Warum nicht? Stellt der Verfassungsschutz einen Teil von Fußballfans mit solch einer Handlung auf eine Stufe mit Hells Angels und NSU? Haben sich V-Leute nicht bereits mehrfach als ungeeignet erwiesen? Wie stehen Sie zu einer generellen Abschaffung von V-Leuten?

Linksjugend: V-Leute sind grundsätzlich abzulehnen. Die Vorgänge rund um die NSU haben das eindrucksvoll belegt.

Coloniacs: Sie sprechen sich für / gegen die finanzielle Förderung von sozialpädagogischen Fanprojekten aus? Warum?

Linksjugend: Wir sprechen uns klar für verstärkte finanzielle Förderung aus, weil es eine sinnvolle Variante der Jugendsozialarbeit darstellt. CDU und FDP, leider aber auch SPD und Grüne haben in den letzten Jahren eine Haushaltspolitik betrieben, die die Banken reicher und die Möglichkeiten zur Förderung solcher Projekte schwerer gemacht haben.

Coloniacs: In einer großangelegten Kampagne, „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ haben sich deutschlandweit Fußballfans für ein kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik eingesetzt und eine nicht erahnte Dialogbereitschaft gezeigt. Welche Meinung vertreten Sie zum kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik in deutschen Fankurven?

Linksjugend: Pyrotechnik gehört dazu und kontrollierte Abbrennen ist unproblematisch. An Sylvester ist ja auch das „unkontrollierte“ Abbrennen erlaubt. Selten werden die Unfälle, die dabei auch passieren, zu großen Schlagzeilen.

Coloniacs: Fanbündnisse wie ProFans, Fanmedia und BAFF erregen selten bundesweite Aufmerksamkeit. Bei anderen Interessenverbänden ist das offensichtlich anders. Woran liegt das? Wie stehen Sie grundsätzlich zur Arbeit von Fanbündnissen?

Linksjugend: Die Aktion 12:12 schien einigermaßen erfolgreich zu sein. Wichtig ist dabei sicherlich ein bundesweites oder vielleicht auch mal europaweites agieren. Insofern sind Fan-Bündnisse auch eine Voraussetzung um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Coloniacs: Zum Abschluss ein paar Fragen/Aussagen, die sich in Kurzform beantworten/ergänzen lassen:

- Hat der Fußball ein Gewaltproblem?

Ein Blick zurück: Wer sich die Zusammenfassung des Spiels 1.FC Köln gegen Roter Stern Belgrad von 1990 anschaut wird sich die Augen reiben. Dort sind am Anfang Ausschreitungen zu sehen, verbunden mit der Aussage des Kommentators, dass das Spiel alles bot, „was dazu gehört“.
Das war sicherlich kein schlauer Umgang, allerdings scheint Gewalt jedenfalls ein tendenziell abnehmendes Problem zu sein. Zunehmen scheint aber die aufgeregte Berichterstattung über Einzelfälle, die dann zur großen Story verpackt werden.

- Ultras sind wichtiger Bestandteil einer intakten Gesellschaft und Fankultur weil,…

… sie Kommerzialisierung kritisieren, die auch in anderen Lebensbereichen schlechte Konsequenzen hat.

- Bietet Deutschland momentan ausreichend Freiraum zur Entfaltung von Subkulturen?

Nein. Das liegt unter anderem an zunehmend schlechteren Arbeitsbedingungen gerade für junge Menschen. Befristete Verträge, Leiharbeit, miese Löhne und die ganze Scheiße. Das lässt immer weniger Raum für schönere Dinge.

- Subkulturen sind wichtig, weil…

… sie der freien Entfaltung dienen.